Nichts ist gelaufen. Das ist die Lehre der Bürgermeisternachwahl vom Sonntag in der südungarischen Stadt Hódmezövásárhely. Das koordinierte Antreten aller oppositionellen Kräfte – vom linken Lager bis zur rechtsnationalen Jobbik – hat Wirkung gezeigt und gegen den Kandidaten der Regierungspartei Fidesz einen überraschenden Sieg (57 zu 42 Prozent) eingefahren. Das Ergebnis könnte gravierende Folgen für die kommende Parlamentswahl haben.
Ungarns Regierung hat somit ein Problem und Premier Orbán ein paar schlaflose Nächte. Zum ungünstigsten Zeitpunkt, am Vorabend der Parlamentswahl. Auf einmal ist die Opposition wieder im Rennen, nachdem sie den unerwarteten – und noch dazu ganz klaren – Sieg in einer der Hochburgen der Regierungspartei errungen hat. Symbolträchtig ist der Triumph in der seit 1990 von konservativen Bürgermeistern regierten Stadt deshalb, weil die gesamte Opposition einen Kandidaten unterstützte und zudem Kanzleramtsminister János Lázár – einer der Schwergewichte der ungarischen Regierung – aus Hódmezövásárhely stammt.
Neue Dynamik im Spiel
Das Wahlergebnis, welches von keinem Meinungsforschungsinstitut vorhergesagt wurde, macht deutlich, dass es in Ungarn ein starkes „hidden vote“ gibt – die Wähler ihre Wahlpräferenzen also nicht preisgeben. Zwar liegt der Fidesz in allen Umfragen haushoch in Führung, jedoch könnten die zahlreichen Korruptionsskandale in der Partei – laut dem jüngsten Korruptionsindex von Transparency International liegt nunmehr Bulgarien hinter Ungarn in der EU –, die autoritären Tendenzen der Regierung und die rund um die Uhr laufende, aus Steuergeldern finanzierte Schmutzkübelkampagne gegen Migranten und Flüchtlinge dazu geführt haben, dass viele Ungarn ihre Meinung lieber für sich behalten und den Kandidaten mit der größten Siegeschance – unabhängig von der politischen Couleur – gegen den der Fidesz unterstützen. Die Nachwahl bringt damit neue Dynamik ins Spiel, welche sowohl Regierung als auch Opposition unter erheblichen Druck setzt. Jedoch steht seit vergangenem Sonntag fest: Orbán ist nicht unbesiegbar.
Da kaum ein Regierungspolitiker von einer Niederlage bei der Wahl in Hódmezövásárhely ausgegangen ist, wird wohl die von Orbán angeführte Exekutive in aller Eile eine neue Wahlstrategie für die Parlamentswahl im April ausarbeiten müssen, um ein Debakel zu vermeiden. Dabei sollen die eigenen Wähler mobilisiert, die Anhänger der Opposition demobilisiert werden. Eine wahre Herausforderung, wenn man in Betracht zieht, dass Orbán die Wahlkampagne bis jetzt mithilfe von Negative Campaigning auf ein einziges Wort („Soros“) reduziert hat.
Hoffnung für die Opposition
Für Ungarns Opposition bedeutet das Wahlergebnis vor allem eines: Hoffnung. Die untereinander teils weiterhin zerstrittenen Parteien können nun geeint als reale Alternative bei der Parlamentswahl antreten. Dafür ist es notwendig, gemeinsame Kandidaten in den Einzelwahlkreisen gegen die vom Fidesz aufzustellen und auf die finanziellen Vorteile des Parteiförderungsgesetzes – welches die Wahlkoalitionen weniger honoriert – zu verzichten. Wer da nicht mitmacht, könnte schnell zum Wahlhelfer des Fidesz avancieren.
Das erste Mal seit den Massenprotesten gegen die Internetsteuer im Jahr 2014 steht die Orbán-Regierung unter gewaltigem Druck. Damals zog der Premier den Gesetzesentwurf zurück und löste die Krise mit einem Federstrich. Die jetzige Situation ist für Orbán dennoch riskanter, weil selbst der kleinste Fehler beim bevorstehenden Urnengang bestraft werden könnte. Noch dazu werden diesmal auch die Oppositionsparteien einiges zu sagen haben.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2018)
Foto: Facebook/ Viktor Orbán